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…take a walk – movement

change of perception – transition. twilight.

the way to the mountains starts here…

Lernschritte

Warum liebe ich die Berge? Was fasziniert mich am Hinaufsteigen? Die Aussicht auf einen atemberaubenden Ausblick? Das stolze Gefühl, nach einem anstrengenden Aufstieg etwas geschafft zu haben? Oben zu sein?

Die Analogie mit dem karrierebewussten Leben drängt sich auf. Ist diese Zufriedenheit, dieses erfüllte Gefühl, etwas systemimmanentes Menschliches oder erlernen wir es durch Anpassung an die Gesellschaft. Ein Kind macht seine ersten Schritte und freut sich, weil das Gegenüber klatscht. Würde es sich auch so freuen, wenn es keine lobende Reaktion gäbe? Oder wäre diese Leistung dann normal für das Kind? Ein Entwicklungsschritt abgehakt. Wo kommt diese Sucht nach Leistung und Erfolg her? Du musst etwas tun/ leisten/ Erfolg bzw. keine Zeit haben, um in unserer Gesellschaft etwas zu sein.

Das regelmäßige Fuß-vor-Fuß-Setzen bei gleichzeitigem Rudern der Arme, das Ansteigen der Atemfrequenz, die leichte Stimulierung des Pulses, die zur Bestimmung der Richtung und zur Wahrung des Gleichgewichts nötigen Tätigkeiten von Auge und Ohr, das Gefühl der vorüberwehenden Luft auf der Haut – all das sind Geschehnisse, die Körper und Geist auf ganz unwiderstehliche Weise zusammendrängen und die Seele, auch wenn sie noch so verkümmert und lädiert ist, wachsen und sich weiten lassen. (Patrick Süskind: Die Taube)

Es ist ein schöner Frühsommertag. Die Seilbahn auf meinen Hausberg öffnet heute zur Wandersaison. Eine gute Zeit für eine Geh-Pause.Ich konzentriere mich aufs Gehen. Nicht denken. Gehen. Ein Fuß vor den anderen, ein Schritt nach dem anderen. – Wohin gehst du? – Nicht denken! Geh aufrecht. Schau gerade vor dich auf den Boden. Steine, Sand, Grasbüschel. Der Blick ist weit. Ein Büschel blühender Almrausch. Schau auf deine Füße. Ich schwitze. Mein Atem geht zu schnell. Der Pfad vor mir ist steil. Ich weiß das, obwohl meine Augen meine Füße fixieren. – Was ist, wenn ich mir vorstelle, auf einer Ebene zu gehen. Flach, nicht steil. Wird es dann weniger anstrengend?

Mein Blick liegt auf meinen Füßen. Blaue Turnschuhe. Ein Blau, das so schreiend ist, dass man es verbieten müsste. Es verursacht Augenkrebs. Sagt meine Tochter. – Links, rechts, in meiner Vorstellung gehe ich auf einer weiten Ebene. Und wirklich: Mein Atem beruhigt sich, die Pulsfrequenz sinkt, das Gehen wird beinahe mühelos. Lernerfahrung Nummer 1: Schwierigkeiten entstehen im Kopf. Ich denke zu viel.

Links. Rechts. Ein Schritt nach dem anderen. Lass die Füße entscheiden. Und plötzlich die Entdeckung: Ich höre. Ich höre meine regelmäßigen Atemzüge, das Knirschen der Steine unter meinen Füßen, das Brausen des Schmelzwassers, das immer leiser wird, je höher ich komme, schließlich in ein Murmeln übergeht und ganz versiegt.Das Zirpen eines Vogels. Stille. Ich bleibe stehen, blicke auf.

Und staune. Und schaue und genieße. Es ist einer dieser Momente, wenn du dich eins mit dir, eins mit der Natur fühlst und dich fragst, warum du überhaupt jemals über das Sein nachdenkst.

Warum streben wir nach dem Gipfel? Wenn wir oben sind, geht es doch immer nur abwärts. Zugegeben: nicht immer ganz zurück ins Tal, aber abwärts. Wenn ich oben bin, ist die Sicht weit. Ich sehe mehr. Ich sehe ins Tal, sehe die zurückgelegte Wegstrecke, sehe meine Fehler, sehe aber auch die vielen Möglichkeiten, Wege, Pfade, Straßen, anderen Gipfel, von deren Existenz ich niemals wüsste, hätte ich mich nicht aufgemacht, um den Gipfel zu erklimmen. Aber macht das einen Unterschied? Ist es wirklich so wichtig, ein Ziel zu haben?

Licht und Schatten.

Immer liegt ein Teil des Berges im Schatten, einer in der Sonne. Beide gehören zusammen, ergeben eins.

Berg und Tal.

Ohne Berg kein Tal, ohne Tal kein Berg. Beide gehören zusammen, ergänzen einander, ergeben eins.

Aufstieg und Abstieg.

Am besten wäre es, auf halber Höhe am Berg entlang. Du siehst zwar nicht so weit, ahnst aber die anderen Berge und siehst auch in das Tal, von dem du aufgebrochen bist. Die Mitte ist das Zauberwort. – Wenn nur die Sehnsucht nicht wäre…

Wenn du dich tiefer mit dem Thema Gehen auseinandersetzen möchtest, dann schau hier. Alfred R. Bensch beleuchtet in seinem Capriccio „über.gehen“ in einem launigen Überblick die verschiedenen Bedeutungen des Gehens: Gehen als Basisbewegung, die uns Raum und Zeit erfahren lässt, Gehen als Meditation, die uns ein verändertes Zeitempfinden ermöglicht, Gehen als Sport, als Ausdruck innerer (Denk-) Haltung, Gehen als Philosophie.


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