Wildkräuter sind gesund. Aber welche Stoffe sind verantwortlich dafür, dass sie wirken, wie sie wirken?
Das ist zum Großteil immer noch ein Geheimnis, einige Stoffe jedoch hat die Wissenschaft schon gut erforscht. Außerdem sollte man eines nicht vergessen: Die Kombination der Stoffe bestimmt maßgeblich die Wirkung einer Pflanze, nicht ein Einzelstoff allein.
Bitterstoffe
- Willst du, dass deine Leber lächelt, deine Bauchspeicheldrüse optimal angeregt und die zugeführte Nahrung ideal aufgenommen wird?
- Willst du, dass dein Darm bei seiner Arbeit unterstützt, das Sättigungsgefühl erhöht und in deinem Körper ein optimales Säuren-Basen-Gleichgewicht herrscht?
- Willst du, dass das Sprichwort Mens sana in corpore sano – Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper für dich Wirklichkeit wird und du entspannt und gleichmütig durchs Leben schiffst?
Dann brauchst du ein Wundermittel – oder: Bitterstoffe.
Du denkst dir jetzt wahrscheinlich: na, ja, sie ist ein Fan. Ja! Bin ich. Als Kind habe ich nicht verstanden, warum mein Vater im Frühling sich als Erstes beim Löwenzahn zu schaffen machte. Löwenzahn gab es dann in allen Variationen, als Tee, im Kartoffelsalat, aufs Brot… Für den kindlichen Gaumen gewöhnungsbedürftig bis ungenießbar. Jetzt aber schätze ich, dass die Bitterkräuter meine Magen- und Gallensaftsekretion sowie die Darmperistaltik ankurbeln, Fäulnis- und Gärprozesse im Verdauungssystem stoppen und meiner Leber bei der Fettverdauung helfen.
Für den menschlichen Körper haben Bitterstoffe also eine wichtige Bedeutung. Das kann man schon daran erkennen, dass sich auf unserer Zunge neben nur jeweils einem Rezeptortyp für süß, salzig, sauer und würzig, 25 – fünfundzwanzig! -verschiedene Bitterrezeptoren befinden. Unglaublich! Theoretisch sollten wir also in der Lage sein, bereits im Mund verschiedene Bittersubstanzen zu erkennen. Darüber hinaus gibt es nach neuesten Erkenntnissen überall im Körper Rezeptoren für Bitterstoffe , also beispielsweise auch in der Nase und im Bronchialsystem.
Eine Auswahl an bitteren Pflanzen: Löwenzahn, Wegwarte, Gänseblümchen, Tausendgüldenkraut, Wermut, Spitzwegerich oder die derzeit bitterste Pflanze: der gelbe Enzian.
Gerbstoffe
Eine weitere wichtige Gruppe von Inhaltsstoffen, die eine große Rolle in der Pflanzenheilkunde spielen, sind die Gerbstoffe. Sie werden von der Pflanze vor allem gebildet, um Fraßfeinde abzuwehren. Gerbstoffe verhindern Fäulnis- bzw. Abbauprozesse, indem sie natürliche Eiweiße in ihrer Funktion einschränken. Diese Eigenschaft macht es z.B. möglich, Tierhäute zu konservieren.
Gerbstoffe wirken entzündungshemmend, antibakteriell und schützen die Schleimhäute. Da sie auch zusammenziehend wirken, werden sie in der Pflanzenheilkunde beispielsweise bei Durchfällen oder Hauterkrankungen eingesetzt. Aber wie immer macht die Dosis das Gift. Zu hohe Dosen und vielleicht noch dauerhaft eingesetzt können zu Übelkeit und Magenbeschwerden führen. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, wenn man sich an die Signale seines Körpers hält, denn eine gesundheitsbedenkliche Menge an Gerbstoffen schmeckt derart widerwärtig, dass kein Mensch sie freiwillig zu sich nehmen würde. Außer man macht den Selbstversuch – so wie ich mit einer Tasse Eichenrindentee: Der Durchfall war weg, aber mein Magen hat sich buchstäblich zusammengezogen und war ein paar Stunden beleidigt.
Zusätzlich sollte man auch wissen, dass hohe Mengen an Gerbstoffen die Aufnahme von Arzneimitteln aus dem Darm hemmen können, weil sie die Darmschleimhaut durch ihren zusammenziehenden Effekt abdichten. Deshalb sollte man sie nicht zusammen mit anderen Medikamenten einnehmen. Es macht allerdings schon Sinn, sie regelmäßig in kleinen, gesundheitsförderlichen Dosen über verschiedene Wildkräuter aufzunehmen, wenn man beispielsweise ein Leaky-Gut-Syndrom heilen möchte.
In der Natur kommen Gerbstoffe in sehr vielen Kräutern vor. Zum Beispiel sind sie im Gundermann, im Wiesenknopf, Wiesen-Storchenschnabel, Blutweiderich, Hauhechel, dem Gänsefingerkraut oder der Blutwurz enthalten.
Flavonoide
Eine weitere Gruppe sehr wirksamer Pflanzenstoffe sind die sogenannten Flavonoide. Darunter versteht man Pflanzenfarbstoffe, die ausschließlich in den äußeren, oberirdischen Pflanzenteilen, wie Blättern und Schalen von Früchten, enthalten sind. Ihre Aufgabe ist es, die Pflanze vor schädlichen UV-Strahlen zu schützen.
Bis jetzt sind mehr als 8000 verschieden Flavonoide bekannt. Jeder einzelne Stoff hat unterschiedliche chemische Eigenschaften, sodass man sie nicht sinnvoll nach ihrer Wirkung einteilen kann. Eine Gruppe schützt vor Grippeviren, eine andere wirkt antibakteriell und verhindert oder heilt Infektionen, manche Flavonoide haben einen schützenden Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System und harmonisieren den Cholesterinspiegel, einige Stoffe wirken antioxidativ und beugen Krebserkrankungen vor, wieder andere werden bei Leberbeschwerden, Allergien oder Depressionen verwendet.
Ein paar Beispiele gut erforschter Flavonoide:
FLAVONOID | VORKOMMEN | WIRKUNG |
---|---|---|
Apigenin | Kamille, Petersilie, Hauhechel,Schafgarbe, Sellerie | antimutagen -> Forschung: hemmt die Vermehrung von Metastasen? Hautkrebs ? Aufrechterhaltung des Östrogengleichgewichts, antioxidativ, hautberuhigend, entzündungshemmend -> Inhaltsstoff von Kosmetika, angstlösend: Unruhezustände, Stress |
Hypericin | Echtes Johanniskraut | fördert Entspannung, antidepressiv: Dopamin-Hemmer = hemmt die Umwandlung von Dopamin zu Noradrenalin antiviral phototoxisch in hohen Dosen = erhöhte Lichtempfindlichkeit, setzt die Wirksamkeit anderer Medikamente herab, weil es bestimmte Proteine in der Leber aktivieren kann |
Kaempferol | Guter Heinrich, Rosmarin, Scharbockskraut, Johanniskraut, Schlüsselblume, Grüner Tee Äpfel, Brokkoli, Kürbis, Himbeeren, Spinat, Zwiebeln | sehr gut erforscht: antioxidativ tumorhemmend: Brust-, Lunge-, Leukämie entzündungshemmend blutdrucksenkend fettabbauend Phytoöstrogen: Menopause, Knochenschwund |
Luteolin | Kamille, Thymian, Pfefferminze, Rosmarin Karotten, Sellerie | entzündungshemmend, antioxidativ, krebshemmend, das Immunsystem stärkend |
Quercetin | Liebstöckel, Ringelblume, bittere Schleifenblume, Schnittlauch, Eiche, Rosskastanie | stark antioxidativ, krebsvorbeugend: Darm, Prostata, cholesterinsenkend, giftig in erhöhten Dosen |
Rutin | Rautengewächse: Eberraute, Weinraute, Sternanis, Buchweizen, Johanniskraut | schützt Blutgefäße, blutverdünnend, entzündungshemmend, stark antioxidativ, entzündungshemmend |
Fazit: Wirf keine Blätter oder Schalen mehr weg und/ oder baue Wildkräuter in deinen Speiseplan ein. Flavonoide sind in wechselnden Mengen in nahezu allen Wildkräutern enthalten. Dabei solltest du jedoch eines beachten: Wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, wird die positive Wirkung der Flavonoide stark gemindert, wenn du gleichzeitig mit den Pflanzen proteinreiche Nahrungsmittel wie z.B. Milch zu dir nimmst.
Quelle: Mariken, J. T. J. et al. (2002): Interactions between Flavonoids and Proteins: Effect on the Total Antioxidant Capacity. In: Journal of Agriculture and Food Chemistry, Vol. 50, S. 1184-1187
Saponine
Der Wortteil Sapo bedeutet Seife und weist auf eine wichtige Eigenschaft hin: Löst man Saponine in Wasser und schüttelt das Gemisch, so entsteht ein Schaum, der auf Öl emulgierend wirkt. Für die Pflanzen haben die Saponine meist eine Schutzfunktion und wirken als Abwehrstoffe gegen Schädlinge. Daher haben auch viele Saponine antibakterielle und pilzhemmende Eigenschaften.
In geringen Dosen wirken sie schleimlösend, hormonstimulierend, entzündungshemmend und harntreibend. Allerdings können höhere Dosen auch zu Entzündungen bzw. Gewebeschäden führen. Sie dürfen auch nicht in die Blutbahn gelangen, weil sie das Blut auflösen können.
Saponine finden sich z. B. in folgenden Kräutern: Melde, weißer Gänsefuß, Taubnessel, Wiesenknopf, Seifenkraut, Gänseblümchen, Ringelblume, Thymian und vor allem in der Schlüsselblume, dem Süßholz und dem Kraut der Unsterblichkeit. Aber auch in Gemüsepflanzen wie Rote Beete, Spinat oder Tomaten sind Saponine enthalten.
Schleimstoffe
Schleimstoffe regulieren die Verdauungstätigkeit, hemmen Entzündungen, wirken reizmildernd, schleimhautschützend, immunstimulierend. Sie werden deshalb gerne bei Atemwegserkrankungen (zB. Husten, Halsentzündung), Gastritis und Entzündungen im Mund- und Rachenraum eingesetzt. Zu den Pflanzen mit einem hohen Anteil an Schleimstoffen zählen z. B. Spitzwegerich, Eibisch, große Klette, Königskerze, Lindenblätter, Malve, Huflattich und Lein.
Senfölglykoside
Senföle sind ein Gruppe von Stoffen, die keine primäre Bedeutung für Wachstum oder Vermehrung der Pflanze haben. Sie bestehen aus Schwefel- oder Stickstoffverbindungen und werden von den Pflanzen als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde gebildet. Bis heute wurden mehr als 120 verschiedene Senfölglykoside nachgewiesen. Allen gemeinsam ist ein scharfer, manchmal leicht bitterer Geschmack und ein stechender Geruch, der vor allem auf die in den Stoffen enthaltenden Schwefelatome zurückzuführen ist.
Interessant ist, dass die Senfölglykoside ihre Wirkung erst entfalten, wenn sie in unseren Verdauungsorganen verstoffwechselt und zu den sogenannten Senfölen abgebaut werden. Sie haben antibakterielle, antioxidative, cholesterinsenkende und chemoprotektive Eigenschaften und schützen nachgewiesenermaßen vor Krebs, hier besonders vor Leberkrebs, Darmkrebs oder Brustkrebs. Ein sehr gut erforschtes Senfölglykosid ist der Stoff Sulforaphan, der sich im Zusammenhang mit Heliobacter pylori, Magengeschwüren und im späteren Stadium Magenkarzinomen, Bauchspeicheldrüsenkrebs und Arthritis als sehr effizient herausgestellt hat. Quellen zur Studienlage und weiterführende informationen findest du >>>hier.
Größere Vorkommen von Senfölglykosiden finden sich in vielen Kreuzblütengewächsen (Brassicaceae) wie beispielsweise Brokkoli, Kohlrabi, Rettich oder Radieschen, Schnittlauch oder Brunnenkresse. Außerdem enthalten viele bekannte Heilkräuter wie Hirtentäschel, Wiesen-Schaumkraut, Ackerhellerkraut oder Barbarakraut größere Mengen an diesen gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen.
Kieselsäure
Kieselsäure ist ein Sammelbegriff für verschiedene Verbindungen, die aus Silizium und Sauerstoff bestehen. In fast allen unseren Geweben und Organen kommt Kieselsäure vor, die eine besonders wichtige Rolle bei der Ausbildung kollagener Fasern und Knorpel bildet, sprich: Bindegewebe und Skelett. Ohne Kieselsäure, keine Stabilität – weder beim Menschen, noch bei der Pflanze. Daher solltest du kieselsäurehaltige Pflanzen oder Extrakte verwenden, wenn du von Arthrose, Rheuma oder allgemeinen Gelenkbeschwerden geplagt wirst. Kieselsäure stärkt die Knochen und wirkt sich auch auf Haardicke und Hautfeuchtigkeit positiv aus. Sie ist daher heute Bestandteil vieler kosmetischer Produkte. Ein Anti-Aging–Selbstversuch wäre also einen Versuch wert.(-:
Als weiteres wichtiges Einsatzgebiet der Kieselsäure gelten in der Volksheilkunde Lungenkrankheiten wie chronische Bronchitis oder auch Tuberkulose, weil die Kieselsäure das Lungengewebe bzw. das Bindegewebe in der Lunge stärken soll (vgl. Bühring, U. (2014): Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde. 4. Überarbeitete Auflage, S. 336); bzw. Linthicum, D.S. (2001): Ultrastructural effects of silicic acid on primary lung fibroblasts in tissue culture. In: Tissue and Cell, Vol. 33, S. 514-523, doi: 10.1054/tice.2001.0205).
In der Natur finden sich Siliziumverbindungen vor allem in Lebensmitteln wie Hafer, Bananen, Rote Bete oder den Schalen der Kartoffel. Zu den besonders kieselsäurehaltigen Kräutern gehören beispielsweise Acker-Schachtelhalm, Beinwell, Lungenkraut, Brennessel, Labkraut, Taubnessel, Vogelknöterich und Hohlzahn.
Phytosterine
Als Phytosterine (oder Phytosterole) bezeichnet man eine Gruppe von Stoffen, die einen ähnlichen Aufbau wie das Cholesterin aufweisen. Sie sind in der Lage, das schädliche LDL-Cholesterin im Blutplasma zu verringern und damit Krankheiten wie Arteriosklerose positiv zu beeinflussen. Außerdem zeigen verschiedene Studien, dass sie eine krebshemmende Wirkung bei Dickdarmkrebs entfalten und das Risiko für Brust-, Prostata- und Magenkrebs verringern.
Phytosterine sind besonders oft in den Samen von Frauenmantel, Nachtkerze, kanadischem Berufskraut, Baldrian, Brennnessel, Löwenzahn, Königskerze, Labkraut und Waldmeister enthalten. Bei den Lebensmitteln enthalten z.B. Weizenkeime, Sojabohnen und Kürbiskerne viele Phytosterine.
Zu beachten ist vielleicht, dass mehr als 3 Gramm Phytosterine pro Tag (das würde z.B. 2-3 kg Kürbiskernen entsprechen) die Aufnahme fettlöslicher Vitamine vermindern und auch die Bioverfügbarkeit von α- und β-Carotin reduzieren können. Aber wer isst schon 2-3 kg Kürbiskerne?
Ätherische Öle
Ätherische Öle bilden keine eigene chemische Gruppe, sondern sind Stoffgemische aus mehreren chemischen Verbindungen und dieses Gemisch ist für den typischen Geruch und Geschmack einer Pflanze verantwortlich. Alle ätherischen Öle sind fettlöslich und leicht flüchtig. Das kannst du z.B. sehr leicht bei einer Tasse Kräutertee beobachten: Wenn du die Kräuter mit kochendem Wasser übergießt, zeigt sich nach einiger Zeit ein leichter Ölfilm an der Oberfläche. Gleichzeitig kannst du die Kräuterdämpfe riechen, wobei sich der Geruch schnell verflüchtigt, wenn du deinen Tee nicht zugedeckt ziehen lässt.
Die Pflanze bildet ätherische Öle aus, um ihre Ausbreitung und ihr Überleben zu sichern. Die Duftstoffe locken einerseits bestimmte Insekten an, damit die Blüten bestäubt werden, andererseits werden davon auch Krankheitserreger und Fressfeinde abgehalten.
Die meisten Kräuter, die einen charakteristischen Geruch oder Geschmack haben, enthalten ätherische Öle. Dazu gehören beispielsweise Thymian, Oregano, Majoran, Kamille, Melisse, Pfefferminze, Basilikum, Fenchel… Viele werden gerne in der Küche und Volksheilkunde eingesetzt, aber auch in der modernen Medizin finden ätherische Öle immer mehr Verwendung. Im Allgemeinen wirken ätherische Öle aufgrund ihrer antibakteriellen sowie pilz- und virenhemmenden Eigenschaften positiv auf das Verdauungssystem und die Atemwege, z. B. Minze-Arten (Menthol), Feldthymian (Thymol) und Knoblauchsrauke. Andere Einzelverbindungen wirken schleimlösend und auswurffördernd (z.B.Pinen, Campher, Anethol), schmerzlindernd (z.B. Carvacrol, Borneol), oder entzündungshemmend (z.B. Chamazulen, Linalool). Die Einsatzgebiete ätherischer Öle ist schier endlos, jedoch muss man immer bedenken: Ätherische Öle sind in höheren Dosen fast immer reizend und damit gesundheitsschädlich und dürfen innerlich niemals pur verwendet werden.
Für mehr Informationen: Zimmermann, E. (2018): Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe: Kursbuch für Ausbildung und Praxis.