Paul Watzlawick oder „Der Zenschüler lacht im Augenblick der Erleuchtung“
Der Philosoph und Psychotherapeut Paul Watzlawick ist einer der Menschen, die ich wirklich bewundere. Auf der einen Seite war er als Mensch sehr sympathisch – und Kärntner😊- auf der anderen Seite zeichnete er sich durch brilliante Gedanken und eine charmante Vortragsweise aus, die das Zuhören zu einem kurzweiligen Vergnügen macht. Der Vortrag „Wenn die Lösung das Problem ist“ (1) stammt aus dem Jahr 1987 und ist meiner Meinung nach so aktuell wie nie. Darin spricht der Philosoph über endgültige Lösungen und Selbstermächtigung zur Gewalt.
Wir scheitern deshalb immer an der Lösung
…, weil wir die Lösung immer innerhalb der Lösungsbedingung suchen, die wir uns selbst auferlegt haben, die das Problem aber gar nicht hat.
Watzlawick erläutert diese These am Besipiel des 9-Punkte-Problems: Die Aufgabe besteht darin, diese 9 Punkte mit 4 zusammenhängenden Linien zu verbinden, ohne den Stift vom Papier abzuheben. Jeder versucht, die Lösung innerhalb des Quadrats zu finden.
Eine Lösung ist jedoch nur möglich, wenn wir über das Quadrat, also über die von uns selbst auferlegte Einschränkung des Denkens hinausgehen. Das jedoch liegt dann schon an der Grenze zur Genialität und Kreativität. Und beides ist den meisten Menschen – heute leider auch fast allen Politikern – nicht eigen.
Heute haben wir Politiker, die (neben möglichen anderen Gründen, die nicht die Intelligenz betreffen) wie religiöse Fanatiker agieren. Watzlawick zitiert hierzu den Nobelpreisträger Max Born, der 1964 Folgendes sagte:
Ich glaube, dass Ideen wie absolute Richtigkeit, absolute Genauigkeit, endgültige Wahrheit Hirngespinste sind und in keiner Wissenschaft zugelassen werden sollen.
Der Philosoph Robert Spaemann meinte, dass Versuche, das „Summum Bonum“, also das vollkommen Gute, auf Erden zu verwirklichen unweigerlich in die UNMENSCHLICHKEIT führen würden.
Und der deutsche Publizist Hermann Lübbe verwies in diesem Zusammenhang auf Folgendes:
Wer glaubt, die endgültige, richtige, wahre Lösung gefunden zu haben, wird sich früher oder später berechtigt fühlen, Gewalt anzuwenden. Dies ist das unvermeidbare Resultat dieses Denkens.
Wenn du ein bisschen über die letzten beiden Jahre nachdenkst: Kommst du dann zu demselben Schluss? Spricht deshalb jeder über Krieg und niemand über Frieden? Spricht deshalb jeder über Rechthaben und niemand über Mitgefühl?
Watzlawick beendet seinen Vortrag mit einer Sufi-Geschichte:
Ein berühmter Sufi verstirbt und steht vor Gottes Thron und Gott sagt: „Weißt du warum ich dir verzeihe?“ Der Mann antwortet: „Herr, vielleicht weil ich deine Gebote beachtet habe?“ -„Nein, deswegen habe ich dir nicht verziehen.“
“ Vielleicht weil ich in Wort und Tat deinen Namen gepriesen habe?“ -„Nein, auch deswegen habe ich dir nicht verziehen“, sagte der Herr.
„Weil ich in meinen Schriften den Ungläubigen den Weg zu dir eröffnet habe?“ -„Nein, auch deshalb habe ich dir nicht verziehen. Erinnerst du dich daran, dass du an einem kalten Wintertag, als ein eisiger Wind durch die Straßen pfiff, ein verirrtes, hungriges Kätzchen in deine Manteltasche stecktest, es wärmtest und füttertest? – Deshalb habe ich dir verziehen!“
Ja, der Nächste kann eine kleine Katze sein oder der Nachbar oder dein Kind…, aber es ist immer ein Wesen in deiner Nähe. Nicht ein politisches oder religiöses Konstrukt, nicht die Wahrheit, nicht die Rettung des Klimas… Und was würde das umgelegt auf unsere Politiker bedeuten? – Wer ist denn ihr Nächster? – Spannende Gedanken, nicht?
Wirklichkeit und Wahrheit
Hast du noch ein paar Minuten Zeit? Dann schau dir doch noch diesen kurzen Interviewausschnitt an.